Andreas Maier, HP, MSc Hom., 2021

Die Homöopathie als Teil der sogenannten Energiemedizin gilt als Reiz- und Regulationstherapie, wobei der Behandlungserfolg insbesondere von der Art und Größe des gewählten Reizes abhängt. Hierzu versucht der Therapeut, eine größtmögliche Übereinstimmung bzw. Ähnlichkeit zwischen dem Krankheitsbild des Patienten und dem homöopathischen Arzneimittelbild zu finden, und zwar sowohl auf körperlicher, geistiger und auch emotionaler Ebene. Die Arznei mit der entsprechenden Ähnlichkeitsbeziehung bzw. das Simile ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Similapunktur, allerdings erhält die Therapie durch Einbeziehung des Reizortes eine neue Dimension.

Schnellere Hilfe bei chronischen Krankheiten

Lokale Anwendungen gelten in vielen alternativen Heilmethoden als problematisch. Einreibungen an erkrankten Hautstellen oder Injektionen an entzündeten Gelenken scheinen dem Prinzip der Ganzheitlichkeit zu widersprechen. Schließlich sind lokale Erkrankungen meist Ausdruck einer tieferliegenden Affektion des Gesamtorganismus. Samuel Hahnemann, der die Homöopathie entdeckt und rund 50 Jahre lang weiterentwickelt hatte, wehrte sich vehement gegen die üblichen Behandlungsmethoden seiner Ärztekollegen, die beispielsweise mittels Salbengemischen hartnäckige Hautleiden, Geschwüre oder Wucherungen vertreiben wollten. Er erkannte die Gefahr dieser augenscheinlichen Heilungserfolge, die bei genauerer Betrachtung zu einer schrittweisen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Patienten führten.

Auch bei der Anwendung homöopathischer Arzneien sah er diese Problematik und warnte seine Schüler eingehend vor äußerlichen Einreibungen der Mittel. Und so heißt es in seinem Grundlagenwerk zur Homöopathie, dem Organon der Heilkunde (5. Auflage, §194): „Weder bei den schnell entstehenden, acuten Local-Leiden, noch bei den schon lange bestandenen örtlichen Uebeln, ist es dienlich, ein äußeres Mittel, und wäre es auch das specifische und, innerlich gebraucht, homöopathisch heilsame, äußerlich an die Stelle einzureiben oder aufzulegen […].“

In seiner Abhandlung Die chronischen Krankheiten eröffnete der mittlerweile über siebzig Jahre alte Hahnemann jedoch eine neue Perspektive, indem er feststellte: „Wird […] dieselbe heilsam befundene Arznei in Wasser-Auflösung zugleich äusserlich (selbst nur in kleiner Menge) eingerieben an einer oder mehren Stellen des Körpers, welche am meisten frei von Krankheits-Beschwerden ist (z.B. an einem Arme, oder Ober– oder Unterschenkel, der weder auf der Haut, noch an Schmerzen, noch auch an Krämpfen leidet) so wird die heilsame Wirkung um Vieles vermehrt […]. So erhält der Arzt noch bei Weitem mehr Vortheil von der homöopathisch passenden Arznei für den langwierig Kranken und kann ihn weit schneller heilen als durch blosses Einnehmen durch den Mund.“ (Hervorhebungen durch den Autor)

Ähnliche Angaben finden sich auch in der sechsten und letzten Ausgabe des Organons, die Hahnemann bis kurz vor seinem Tod überarbeitete und die damit zurecht als krönender Abschluss seines Lebenswerks gilt. Hier erwähnt er allerdings neben den bereits angegebenen Lokalisationen auch den Rücken als geeignetes Areal für die Einreibung.

Hahnemanns Erkenntnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Äußerliche Einreibungen homöopathischer Arzneien können den Heilungsprozess deutlich beschleunigen
2. Die Anwendung empfiehlt sich insbesondere bei chronischen Krankheiten
3. Das ähnliche Heilmittel (=Simile) soll gleichzeitig innerlich eingenommen werden
4. Die Einreibung soll an gesunden Stellen erfolgen
5. Bestimmte Lokalisationen sind für die Anwendung besonders geeignet

Dass äußerliche Applikationen in heutigen Homöopathie-Praxen kaum durchgeführt werden, hat mehrere Gründe, zumal Hahnemanns Angaben bei näherer Betrachtung ziemlich ungenau sind. So sind die beschriebenen Lokalisationen viel zu unspezifisch, um daraus ein Therapiekonzept ableiten zu können. Bei welchen Beschwerden soll die Einreibung am Arm erfolgen? Und wann am Bein? Sollen die Bereiche gewechselt werden oder soll immer an derselben Stelle eingerieben werden? Ist bei halbseitigen Beschwerden die betroffene oder die gegenüberliegende Seite zu bevorzugen? Soll kräftig einmassiert oder lediglich oberflächlich eingerieben werden? Welche Menge soll angewendet werden – und wie oft?

Es bleiben viele offene Fragen, und scheinbar reichte Hahnemanns Lebensspanne für ihn nicht aus, um klare Antworten darauf finden zu können. Hier bietet sich für seine Nachfolger eine bislang nicht erkannte Chance, über den Tellerrand zu blicken und Prinzipien und Erfahrungen anderer alternativer Heilverfahren in die Homöopathie zu integrieren. Dass auch dies nicht gegen Hahnemanns Grundsätze verstoßen muss, beweist seine im Alter zunehmende Offenheit gegenüber anderen Methoden. Hier wäre insbesondere der Mesmerismus zu nennen, den er schon früh kennenlernte und im Organon sogar als „ein wundersames, unschätzbares, dem Menschen verliehenes Geschenk Gottes“ (§284) bezeichnete. Neben diesem „thierischen Magnetismus“ war Hahnemann später auch von der Heilkraft von magnetisierten Eisenstäben, Elektrizität oder Galvanismus überzeugt – Behandlungsverfahren also, die über lokale Anwendungen eine generalisierte Wirkung erzielen sollen.

Homöopathie als Kombinationstherapie

Wie lässt sich erklären, dass potenzierte Arzneien bei gleichzeitiger äußerlicher Einreibung ein besseres bzw. schnelleres Heilungsergebnis erreichen als die bloße innerliche Einnahme? Schließlich bringt eine Erhöhung der Dosis in der homöopathischen Behandlung nachgewiesenermaßen keinen schnelleren Effekt. Es muss also ein anderes Wirkprinzip geben, das den arzneilichen Heilungsimpuls durch die Einreibung verstärkt.

Wie bereits erwähnt scheinen bestimmte Körperbereiche für äußerliche Anwendungen besser geeignet zu sein als andere. Warum Hahnemann den Bauch, das Gesicht, die Hände oder Füße nicht als potenzielle Lokalisationen anführt, darüber kann nur spekuliert werden. Dass er jedoch später den Rücken hinzufügt, zeigt, dass ihn das Thema längere Zeit beschäftigt haben muss. Schließlich liegen zwischen der Veröffentlichung der Chronischen Krankheiten und der Fertigstellung der 6. Auflage des Organons rund 15 Jahre.

Gerade der Rücken ist bei vielen anderen Reiz- und Regulationstherapien zentraler Ausgangspunkt für die Behandlung, wie z. B. bei Akupunktur, Triggerpunkt- oder Schröpfbehandlung, ebenso beim Baunscheidtieren oder auch bei manuellen Verfahren. So lassen sich über verschiedene dorsale Reflexzonen, Funktionspunkte und Segmente (Headsche Zonen und MacKenzie-Zonen) innere Organfunktionen gezielt ansteuern und Stoffwechselprozesse regulieren. Warum sollten diese Zusammenhänge nicht auch in bei der Einreibung homöopathischer Arzneien eine Rolle spielen?

Bild: Über Funktionspunkte lassen sich Erkrankungen im Körperinnern beeinflussen (Quelle Pixabay).

Die Erkenntnis, dass innere Erkrankungen über die Stimulation von Bereichen oder Punkten an der Haut behandelt und geheilt werden können, ist in der Naturheilkunde altbekannt. So haben sich die Grundprinzipien der Akupunktur, wie der Verlauf der Energie-Leitbahnen bzw. Meridiane sowie die Lokalisation und Wirkung der Akupunkturpunkte, seit Jahrtausenden nicht geändert. Der Methode liegt also ein riesiger Erfahrungsschatz zugrunde, der durch moderne Forschungen zumindest teilweise bestätigt werden konnte.

Auch wenn Hahnemann die Beziehung der Haut zu unserem Körperinnerem für die Diagnose bewusst war, so kann er die dahinterliegenden therapeutischen Möglichkeiten nur erahnt haben. Jedenfalls spricht er sich im Vorwort des Organons klar gegen die Anwendung der Akupunktur aus, die auf diesen Zusammenhängen beruht – eine Ansicht, die bis heute von vielen seiner Nachfolger geteilt wird. Allerdings gab es zu jener Zeit noch keine Übersetzungen der Grundlagenliteratur aus der Chinesischen Medizin. Ärzte, die diese Methode anwenden wollten, konnten sich ausschließlich an mündlichen Überlieferungen orientieren. Die Wahl der Punkte dürfte dabei recht willkürlich gewesen sein, wahrscheinlich erfolgte die Nadelung sogar eher im Sinne eines Ausleitungsverfahrens, was der damaligen Vorstellung über die Entstehung von Krankheiten entsprach. Mit der heutigen Akupunktur jedenfalls hatte diese Vorgehensweise nichts gemein.

Eine neue Synthese

Durch die äußerliche Einreibung der Mittel wird die Homöopathie – bewusst oder unbewusst – ergänzt um Aspekte anderer Heilmethoden, insbesondere der Akupunktur bzw. Akupressur.

Und diese Verbindung ist nicht so ungewöhnlich, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Bereits in den 1950er Jahren begann der französische Akupunkteur Roger de la Fuye (1890 – 1961), homöopathische Arzneien in Akupunkturpunkte zu injizieren. Seiner Ansicht nach könne sich dadurch die Wirkung der beiden Therapieansätze sinnvoll ergänzen. De la Fuye hatte zuvor die von dem homöopathischen Arzt Dr. August Weihe entdeckten Druckpunkte mit den bekannten Akupunkturpunkten abgeglichen und erstaunliche Parallelen festgestellt.

Bei den sogenannten Weiheschen Druckpunkten handelt es sich um Punkte an der Körperoberfläche, die bei bestimmte Krankheiten druckempfindlich werden. Ohne die Akupunktur zu kennen, und noch vor den Forschungen von Head und MacKenzie über Segmente bzw. viszerokutane und kutiviszerale Reflexe, hatte Dr. Weihe einen Zusammenhang zwischen Indikationspunkten an der Haut und inneren Erkrankungen entdeckt. Zudem konnte er einen Bezug der Punkte zu entsprechenden homöopathischen Arzneien nachweisen.

De la Fuye machte sich die Erkenntnisse Weihes zunutze, orientierte sich bei der Wahl des Homöopathikums jedoch an den Grundsätzen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Diese basiert auf einem naturphilosophischen Verständnis der Vorgänge im Körper, das von unserer westlichen Anschauung von Physiologie und Pathologie erheblich abweicht. Eine Übertragung der homöopathischen Arzneimittelkenntnis in die Chinesische Heilkunde ist daher nur eingeschränkt möglich. Nicht zuletzt deshalb wird die sogenannte Homöosiniatrie de la Fuyes bis heute in homöopathischen Praxen kaum umgesetzt.

Mittlerweile gibt es einige andere Therapieformen, bei denen pflanzliche oder homöopathische Mittel an Akupunktur- oder sonstige Funktionspunkte injiziert werden, wie beispielsweise die Mesotherapie, Biopunktur oder Homöopunktur. Bei den für diese Anwendung verfügbaren Arzneien handelt es sich jedoch meist um Komplexpräparate, die mehrere Substanzen in tiefer Potenzierung enthalten. Eine homöopathische Einzelmittelverordnung mit individuellen Potenzstufen ist dabei nicht möglich.

Bei der Similapunktur erfolgt die Anwendung der Mittel an der Körperoberfläche, wodurch sämtliche Arzneien in der gewünschten Potenzhöhe eingesetzt werden können. Die Methode bildet damit eine neue und einzigartige Synthese zweier bedeutender alternativer Heilverfahren.

Similapunktur in der Praxis

Ausgangspunkt der Similapunktur ist das homöopathische Simile, das über die Anamnese, Fallanalyse und Repertorisation ermittelt wird – entsprechend den Grundlagen der Homöopathie. Anschließend erfolgt die körperliche Untersuchung, die jedoch nicht der reinen Diagnosestellung dient. Der Therapeut versucht vielmehr zu ermitteln, welche Lokalisation für die Anwendung des Homöopathikums am besten geeignet ist. Schließlich ist neben der korrekten Mittelwahl auch der passende Reizort für den Therapieerfolg wichtig.

Die Behandlung kann an bekannten Funktions- und Reaktionspunkten, wie z. B. an Akupunktur- und Triggerpunkten, Reflexzonen oder sonstigen Wirkungsbereichen erfolgen. Kenntnisse über den Verlauf von Akupunktur-Leitbahnen und über die Lage und Wirkung von Akupunkturpunkten helfen bei der Beurteilung der Relevanz der Punkte. Der Rücken bietet dabei besondere Möglichkeiten hinsichtlich der Diagnose und der Therapie. Über dorsale Segmente, Schröpfstellen, Trigger- und Reflexpunkte können innere Organe direkt angesteuert, Stoffwechselprozesse angeregt und die Durchblutung in bestimmten Regionen reguliert werden. Nicht zuletzt verläuft der Blasen-Meridian in zwei Bahnen paravertebral nach unten bis in die Füße. Diese bedeutende Leitbahn enthält Reflex- bzw. Zustimmungspunkte zu nahezu allen inneren Organen, die bei Affektionen der zugeordneten Organsysteme empfindlich werden.

Die Stimulation der Punkte oder Bereiche kann auf unterschiedliche Art erfolgen, beispielsweise durch Reiben, Drücken, Beklopfen, Nadelung, Wärme- oder Kältereize, Laser usw. Für die Similapunktur hat sich die Siebensternenadel bewährt, ein Instrument aus der Chinesischen Medizin. Dabei handelt es sich um ein Nadelhämmerchen mit einem kleinen, runden Kopf, an dem sieben Nadeln sternförmig angeordnet sind. Die Nadelung erfolgt durch ein leichtes Beklopfen der Haut. Anders als bei der herkömmlichen Akupunktur dringen die Nadeln nicht tief ins Gewebe ein, vielmehr werden lediglich die oberen Hautschichten perforiert. Dabei kommt es zu einer sichtbaren Hautrötung als Zeichen einer vermehrten Durchblutung und eines erhöhten Stoffwechsels – ideale Bedingungen also für die Aufnahme der Arznei. Durch die Klopfschläge werden zudem verschiedene Rezeptoren in der Haut aktiviert und selbst tieferliegende Akupunkturpunkte können stimuliert werden.

Bild: Die Siebensternenadel stimuliert selbst tiefgelegene Akupunkturpunkte.

Die Siebensternenadel wird in der Chinesischen Medizin seit Jahrhunderten angewendet, insbesondere bei der Behandlung von empfindlichen Personen oder auch Kindern. Tatsächlich kann die Nadelung auch bei bestehender Nadelphobie meist problemlos durchgeführt werden. Da es sich bei jedoch um ein invasives Verfahren handelt, sind entsprechende Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen zu beachten. Allerdings kann die Similapunktur auch nicht-invasiv durchgeführt werden.

Bei der Anwendung der Siebensternenadel gilt die Arndt-Schulz-Regel, dass kleine Reize die Lebenstätigkeit anfachen und starke Reize sie hemmen oder aufheben. Dementsprechend muss die Nadelung vorsichtig durchgeführt werden, wobei die Empfindlichkeit des Patienten als Gradmesser für die Anzahl und die Kraft der Klopfschläge dient.

Fallbeispiele

Die punktgenaue Anwendung homöopathischer Arzneien bei der Similapunktur bringt den Therapeuten in direkten Kontakt mit dem Patienten. Zudem ermöglicht sie eine weitreichende Kontrolle über die Mittelgabe. Denn anders als von Hahnemanns angegeben, muss die Arznei in den meisten Fällen nicht zusätzlich oral eingenommen werden. Wird das Heilmittel nach der Stimulation der entsprechenden Punkte eingerieben oder aufgetragen, ist die Wirkung oft unmittelbar spürbar und kann auch bei hartnäckigen Fällen über Wochen und Monate anhalten. Zwei Fälle aus der Praxis – jeweils ein Akutfall und ein chronischer Fall – sollen die Wirkungsweise verdeutlichen.

Fall 1: akute Tendovaginitis

Thomas N., 48 Jahre, kommt am späten Freitagabend aufgrund von heftigen Schmerzen am rechten Handgelenk in die Praxis. Die Beschwerden haben am Abend des Vortages angefangen, nachdem er den Tag über sehr angestrengt am Computer arbeiten musste. Das betroffene Handgelenk ist etwas geschwollen, insbesondere das Greifen von Gegenständen ist ungemein schmerzhaft. Er hat noch keinen Arzt aufgesucht, hat das Handgelenk aber den Tag hindurch wiederholt mit einer schmerzstillenden Salbe eingerieben, was kurzzeitige Linderung gebracht hat.

Bei der Untersuchung lässt sich ein empfindlicher Schmerzpunkt an der Beugefalte des Handgelenks lokalisieren, auf der radialen Seite der Sehne des ulnaren Handbeugers (M. flexor carpi ulnaris). Hier befindet sich der Akupunkturpunkt Herz 7, der entsprechend der Chinesischen Medizin bei Handgelenksproblemen, aber auch bei psychischen Spannungssituationen, Nervosität, Gedächtnisschwäche usw. behandelt wird.

Bei der Untersuchung im Nackenbereich, die bei Beschwerden von Schulter, Ellbogen oder Handgelenk stets durchgeführt werden sollte, fällt im rechten Trapeziusmuskel ein weiterer empfindlicher Punkt auf. Bei Druck auf diesen Punkt kommt es zu einer Schmerzausstrahlung bis ins betroffene Handgelenk. Hier handelt es sich offenbar um einen aktivierten Triggerpunkt, der eng mit dem Beschwerdebild verknüpft ist.

Behandlung: Schmerzlokalisation und Modalitäten (Folgen von Überlastung, außerdem gibt der Patient eine Besserung durch Bewegung an) deuten auf Rhus toxicodendron (Giftsumach) als mögliches Heilmittel hin. Die Punktauswahl ist mit den beiden schmerzhaften Punkten schnell getroffen. Nach der Hautdesinfektion werden die Punkte mit der Siebensternenadel beklopft, anschließend wird Rhus tox. in der Potenz Q6 aufgetragen.

Therapieverlauf: Unmittelbar nach der Anwendung berichtet der Patient von einem deutlich spürbaren, aber nicht unangenehmen Ziehen im betroffenen Bereich des Handgelenks. Während des Wochenendes nehmen die Schmerzen immer weiter ab, sodass er am Montag völlig beschwerdefrei seiner Arbeit nachgehen kann.

Fall 2: chronische Gastritis

Im Sommer kommt der 25 Jahre alte Tobias, sportlich, kräftige Statur, in die Praxis. Er leidet seit rund sieben Monaten an anhaltender Übelkeit, wobei verschiedene schulmedizinische und naturheilkundliche Therapien bislang erfolglos waren.

Er berichtet, dass die Zunge anfangs einen dicken, weißen Belag hatte, woraufhin er von seinem Hausarzt ein Antimykotikum verordnet bekommen hatte, allerdings ohne großen Effekt. Der Zungenbelag war mittlerweile jedoch fast verschwunden und taucht nur hin und wieder auf (Abstrich o. Befund). Eine Magenspiegelung hatte eine leichte Gastritis ergeben, die verordneten Säureblocker zeigten aber keine Wirkung.

Angefangen hatten die Beschwerden um den Jahreswechsel, als der Patient mit Freunden im Urlaub war, wobei viel Alkohol konsumiert wurde. Gleichzeitig war er zu dieser Zeit in einer Prüfungsphase an der Universität, musste viel lernen und konnte nur wenig Sport treiben. Als weiteren möglichen Auslöser für die Beschwerden gibt er familiäre Spannungen zwischen der Mutter und ihrem Lebensgefährten an. Die Mutter war seit einigen Jahren geschieden, zwischen dem aktuellen Partner und dem Patienten sowie dessen jüngerer Schwester kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Besonders die jüngere Schwester litt unter der häuslichen Situation, was dem Patienten ebenfalls stark zu schaffen machte.

Die Übelkeit beginnt morgens beim Aufstehen, sie wird durch Kaffee und durch Essen etwas gebessert. Nach Genuss von Zitronen oder sonstigen sauren Dingen kommt es zu Sodbrennen. Der Patient beschreibt zudem ein Gefühl, als läge ein schweres Gewicht auf dem Bauch. Hin und wieder muss er aufstoßen (leer), was aber keine Linderung bringt. Stuhl und Urin sind unauffällig.

Bereits in der Anamnese beschreibt er einen sehr druckschmerzhaften Punkt unmittelbar unter dem Brustbein. Seit einiger Zeit klagt er auch über Rückenschmerzen im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule, weshalb er in den letzten Wochen wieder vermehrt Sport getrieben hatte. Zudem hatte er Physiotherapie verordnet bekommen, wodurch sich jedoch weder die Übelkeit noch die Rückenschmerzen gebessert hatten.

Behandlung: Es kann keine eindeutige Ursache für die Beschwerden ermittelt werden, sodass sich die Mittelwahl an den übrigen Symptomen orientiert. Dabei weist das Krankheitsbild auf Sepia (Tinte des Tintenfischs) als mögliches Heilmittel hin. Gewählt wurde wiederum die Potenz Q6.

Die Punktur erfolgt an dem vom Patienten beschriebenen Schmerzpunkt im Oberbauch, der dem Akupunkturpunkt Konzeptionsgefäß 15 entspricht. Dieser Punkt wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin u. a. bei verschiedenen Verdauungsbeschwerden (Gastritiden usw.), aber auch bei vegetativen Störungen und stressbedingten Erschöpfungszuständen eingesetzt. Gleichzeitig liegt der Punkt im Plexus solaris, dem Sonnengeflecht, im Zentrum des dritten Chakras. Auch über dieses Energiesystem aus dem Ayurveda können sich interessante Ansatzpunkte für die Therapie ergeben.

Therapieverlauf: Gleich nach der Anwendung verspürt der Patient ein Kribbeln in dem behandelten Bereich, das jedoch nicht nur oberflächlich, sondern in der Tiefe zu sitzen scheint. Er meldet sich eine Woche später und berichtet, dass die Beschwerden bereits kurz nach der Behandlung deutlich nachgelassen haben, eine Woche später sind sie komplett verschwunden und bis heute (eineinhalb Jahre danach) nicht wieder aufgetaucht.

Fazit

Die Similapunktur basiert in weiten Teilen auf den Grundsätzen der Homöopathie Samuel Hahnemanns, nämlich: Arzneiwahl nach dem Ähnlichkeitsgesetz, möglichst kleine Gabe von Einzelmitteln und seltene Mittelwiederholung. Der Effekt des Homöopathikums wird bei der gezielten äußerlichen Anwendung ergänzt um eine Reizwirkung an oberflächlichen Funktions- oder Reaktionspunkten. Somit bildet die Similapunktur eine neuartige Synthese aus verschiedenen Heilverfahren, die das jahrtausendealte Wissen traditioneller Behandlungsmethoden sowie neuere Erkenntnisse über kutiviszerale bzw. viszerokutane Reflexe umfasst.

Durch die direkte Applikation am Patienten kann der Therapeut sowohl Heilmittel, Potenzhöhe, Dosierung, Mittelwiederholung und auch Wirkungsort genau bestimmen. Dabei hat sich gezeigt, dass eine parallele orale Einnahme nur in Ausnahmefällen nötig ist. Die Similapunktur eignet sich insbesondere für funktionelle Beschwerden, bei denen Homöopathie, Akupunktur oder Reflexzonentherapie eingesetzt werden können. Sie erweitert das therapeutische Spektrum und kann neue Optionen bei der Behandlung akuter und chronischer Krankheiten eröffnen.

Literatur

Boger, C M (2015), A Synoptic Key of the Materia Medica, B. Jain Publishers (P) Ltd., New Delhi
Classen, C (2005), Hahnemanns Organon der Heilkunst, 2. Auflage, Sonntag-Verlag, Stuttgart
Classen, C (2005), Hahnemanns Theorie der Chronischen Krankheiten, Sonntag-Verlag, Stuttgart
Gleditsch, J M (2005), Reflexzonen und Somatotopien – Vom Mikrosystem zu einer Gesamtschau des Menschen, Urban & Fischer, München
Gleditsch, J M (2002), MAPS – MikroAkuPunktSysteme, Hippokrates-Verlag, Stuttgart
Maier, M (2020), Similapunktur – Homöopathie punktgenau bei Ulcus cruris, Co.Med Fachmagazin für Komplementärmedizin; 26; 12-14
Schmidt, J M (2011), Die Homöopathie Hahnemanns zwischen rationaler Heilkunde und Heilkunst, Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin;23:224–232
Seiler, H (2001), Die Weiheschen Druckpunkte – Grundlagen und Praxis, Haug-Verlag, Heidelberg

 

 

Andreas Maier, Heilpraktiker

Vita

 • 1996 – 1998 Ausbildung zum Heilpraktiker an der Heilpraktikerschule (HPS) in Mannheim
• Oktober 1998 Abschluss der Ausbildung mit Überprüfung beim Gesundheitsamt und Zulassung zur Ausübung der Heilkunde als Heilpraktiker
• Seit 1999 in eigener Praxis, zunächst mit den Behandlungsschwerpunkten Schüßler-Salze und Ausleitungsverfahren
• Seit 2000 Spezialisierung auf klassische Homöopathie
• Ab 2003 Übersetzungen homöopathischer Literatur, u. a. James T. Kent (Repertorium und Arzneimittellehre), Cyrus M . Boger (Bönninghausens Charakteristika und Repertorium), Robin Murphy (Klinische Materia Medica und Klinisches Repertorium), usw. Darüber hinaus Mitarbeit an verschiedenen Software-Programmen.
• Seit 2009 Dozent an der Homöopathie-Schule in Tübingen
• 2012 bis 2015 Studiengang an der University of Central Lancashire(UCLAN, England) mit Abschluss MSc Homeopathy.
• 2017 Autor im Homöopathie-Ratgeber, insbesondere im Bereich „Geschichte der Homöopathie“.
• 2018 Autor für den Studiengang „Alte Meister der Homöopathie“ an der Rolf-Schneider-Akademie

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